Haushaltsrede 2023
Sehr geehrter Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
als am Silvesterabend 1986 die ARD die Neujahrsansprache des damaligen Bundeskanzlers Kohl vertauschte und die Vorjahresansprache wiederholte, hat es kaum jemand gemerkt.
Auch bei Haushaltsreden der Fraktionen für die Kommunen könnte man auf die Idee kommen, dass sich die Vorträge manchmal, insbesondere bzgl. der finanziellen Aspekte, wiederholen und nicht immer nur neue Ansichten angeführt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, das wird sich in diesem Jahr allerdings so nicht wiederholen können. Ich weiß nicht, ob Sie die wegen Corona nur geschriebenen, aber nicht gehaltenen Reden zum Haushalt in den letzten beiden Jahre gelesen haben, aber nach zweijährigem Verzicht auf den Vortrag von kommunalen Haushaltsreden in Wetter ist zumindest in dieser Hinsicht wieder etwas wie vorher. Sie reden wieder.
Dennoch ist jetzt vieles anders.
Bei den vergangenen Haushaltsberatungen ging wahrscheinlich niemand davon aus,
- dass wir aus der einen Krise direkt in die nächste Krise kommen werden,
- dass wir in Europa erneut Krieg haben werden,
- dass Menschen sterben und viel neues Leid in diese Welt getragen wird.
Obwohl wir vermeintlich weit weg sind, hat dieser Krieg
- Einfluss auch auf unser Leben,
- auch auf das Leben in Deutschland,
- auch auf das Leben in Bund, Land und Kommunen.
Millionen Menschen sind geflohen, auch in Wetter sind Schutzsuchende angekommen.
Die Kommunen helfen und das ist gut so.
Das ist das Wichtigste, auch wenn Bund und Land über die Kosten streiten und die Kommunen auch hier wieder am Ende der Nahrungskette stehen. Es werden aktuell den Kommunen nur Aufwendungen für tatsächlich hier angekommene Menschen pauschal erstattet. Aufwendungen, die den Kommunen dafür anfallen, Unterkünfte vorzuhalten und vorbereitet zu sein, wenn die Menschen kommen, blieben bisher weitestgehend außen vor. Ganz aktuell erreicht uns die Nachricht, dass Wetter einmalig einen Betrag von 604.000 € erhält.
Der Einfluss von Corona und Krieg erstreckt sich auch auf die Finanzen jeder und jedes Einzelnen und auch auf die Haushaltslage in Wetter. Gefühlt wird alles immer teurer, alle Lebensbereiche sind betroffen, Lebenshaltung, Energie, viele der kommunalen Aufwendungen.
Der Haushaltsausgleich in Wetter ist wieder in – weitere Ferne – gerückt,
- die gute Nachricht ist, er ist mit Hilfe des HSK darstellbar,
- die schlechte Nachricht ist, er ist tatsächlich in weitere Ferne gerückt, wir sprechen hier heute von 2031.
Erst im nächsten Jahrzehnt wird es also möglich sein, den Haushalt wieder ausgeglichen zu gestalten. Dennoch, und das habe ich hier schon häufiger gesagt, müssen wir weiter in unsere Stadt investieren. Investitionen in Bildung, Klima, Sicherheit, Sport, Jugend, Mobilität, Freizeit und Gewerbe. Wir wollen und wir müssen weiter investieren in die Zukunft dieser Stadt und ihrer Bürger*innen.
In der Vergangenheit waren Steuererhöhungen, insbesondere Grundsteuer-Erhöhungen, häufig ein Rettungsanker für die Kommunen, um ausgeglichene Haushalte auszugleichen oder überhaupt darstellen zu können.
Der Entwurf des Bürgermeisters über den Haushalt der Stadt Wetter Ruhr in diesem Jahr kommt ohne Steuererhöhungen aus.
Keine Sorge, ich werde niemanden für diesen Umstand feiern, die Steuern sind in der Tat hoch.
Dennoch ist es bemerkenswert, dass eben doch nicht alles teurer wird, das wir als Kommune dazu auch unseren Beitrag leisten wollen. Und das ist gut so.
Die FDP geht noch weiter. Sie beantragt die Senkung Hebesätze der Grundsteuer B um 55 Punkte gegenüber dem Haushaltsplan-Entwurf. Da würde jede und jeder natürlich gerne mitmachen. Wer entlastet nicht gerne die Bürgerinnen und Bürger?
Aber es kann trotzdem nicht die Zustimmung der SPD – Fraktion finden, weil wir in diesen Krisenzeiten alle zusammenrücken müssen. Dieser kommunale Beitrag per Gießkannenprinzip ist mit der SPD-Fraktion nicht zu machen, wir wollen, dass die Kommune da unterstützt, wo es am Notwendigsten ist, denn wir haben leider nicht viel zu verteilen.
Würden wir diesem Antrag zustimmen, würden wir die fehlenden Erträge später und anders wieder reinholen müssen.
Unser Ansatz ist: der kommunale Beitrag dort, wo er am Notwendigsten gebraucht wird.
Viele Menschen mit niedrigem Einkommen haben es in der aktuellen Zeit sehr schwer, kommen manchmal kaum oder gar nicht mehr über den Monat. Die Hilfen der Bundesregierung greifen, kommen an, aber nur langsam und nicht überall. Gerade auch Alleinerziehende und Familien sind oft in dieser Situation.
Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Antrag, die Elternbeiträge für Kitas und OGS in den beiden untersten Einkommensgruppen zu streichen,
- ein Zeichen gesetzt,
- ein Zeichen gesetzt, einkommensschwache Alleinerziehende und Familien zu unterstützen,
- ein Zeichen trotz der aktuellen Haushaltslage nicht mit der Gießkanne über alles, sondern dort wo es am nötigsten gebraucht wird, gesetzt.
Wir werden deshalb an unserem Antrag, die untersten Einkommensstufen der Elternbeiträge bis 50.000 € Bruttoeinkommen beitragsfrei zu stellen, festhalten.
Ich kann nur dafür werben,
- die Kolleginnen und Kollegen des Rates bitten und
- euch auffordern, diesem Antrag zuzustimmen,
- zu zeigen, dass wir hier in Wetter doch alle an einem Strang ziehen,
- dass die Menschen, die es brauchen, im Vordergrund stehen und
- wir im Rat gemeinsam versuchen die Krisen bestmöglich für die Menschen zu bewältigen.
Eine Einigung auf unseren Antrag, auf einen kommunalen Beitrag in dieser Krise, wäre ein Zeichen, das einen noch mehr an die Sinnhaftigkeit dessen glauben lassen würde, was wir hier tun, unser Dank im Sinne der Menschen wäre euch sicher.
Wie der Rat am Ende auch immer entscheidet, darauf, dass die SPD-Fraktion diese Debatte hier im Rat der Stadt angestoßen hat, bin ich ein kleines bisschen Stolz, das darf ich hier sagen.
Bedanken – möchte ich mich ganz sicher bei Margot Wiese, mit der ich als Jugend- und Sozialpolitiker seit fast 30 Jahren zusammenarbeiten durfte. Diese Zusammenarbeit war zu jeder Zeit von großem Respekt und großem Vertrauen geprägt.
Danke Margot, du hast viel erreicht.
Jetzt möchte ich zu einem Thema kommen, was mir sehr am Herzen liegt. Diesem Thema habe ich mich auch bereits in der Haushaltsrede für 2022 gewidmet.
Wenn Sie meine Rede gelesen haben, bitte ich um Verzeihung, falls nicht, gilt: in jedem Fall ist das Thema wichtig genug, es erneut aufzugreifen.
Alle sprechen zurzeit von immer weiter steigenden Mieten,
- viele von Wohnungsnot,
- manche von einer drohenden Immobilienblase.
Aber eines ist klar: wer eine Wohnung sucht, braucht einen langen Atem und / oder das nötige Einkommen, um die Mieten zahlen zu können.
Index- und Staffelmietverträge sind in aller Munde, Baukosten und Zinsen steigen schnell an.
Besonders krass ist die Wohnungsnot in Großstädten Aber auch in Wetter wird die Situation immer schwieriger.
Mit dem Handlungskonzept Wohnen haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, aber nur, wenn es auch umgesetzt wird.
Darin heißt es, Zitat: „Eine wesentliche Aufgabe für die Stadt Wetter wird es in den kommenden Jahren sein, entsprechend der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt bezahlbaren Wohnraum in quantitativ ausreichender und qualitativ ansprechender Weise auf allen relevanten Teilmärkten und für unterschiedliche Nachfragergruppen zur Verfügung zu stellen.“
Weiter heißt es, Zitat: „Auf Basis der Entwicklungen in der Vergangenheit sowie unter Berücksichtigung des künftigen Altersaufbaus entsteht demzufolge bis zum Jahr 2035 ein Bedarf von zusätzlichen ca. 510 Wohneinheiten im Ein- und Zweifamilienhausbau und 770 Wohneinheiten im Mehrfamilienhausbau.“
Das bedeutet dann aber auch, dass wir zum einen bei den im Flächennutzungsplan dafür vorgesehenen Flächen auch das Bauen ermöglichen, z.B. durch Bauleitplanungen. Dabei wird die SPD auch zukünftig immer mehr darauf achten, dass neben Geschosswohnungsbau auch sozialer Wohnungsbau ermöglicht wird.
Anders als die Grünen, die beim Handlungskonzept Wohnen zugestimmt haben, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit weitere Bebauungen verhindern wollen.
Sei es beim Schließen von Baulücken, sei es bei neuen Bebauungsplänen.
Geradezu reflexhaft wird hier nachhaltig versucht, Planungen und Bebauungen zu verhindern oder zumindest einzuschränken.
Das Handlungskonzept Wohnen bedeutet aber darüber hinaus auch, dass wir trotz der allgemeinen Zurückhaltung, die wir im Rat und in der Verwaltung an den Tag legen, Freiflächen in Anspruch nehmen zu müssen, aber auch dafür sorgen müssen, dass weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden. Klar ist, dass sich dadurch neue Abwägungsprozesse ergeben. Im Einzelfall wird sich das auch manchmal schwierig gestalten, weil konkurrierende Interessen sich auch widersprechen können.
Aber klar ist: irgendwo wollen und müssen die Menschen wohnen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Wohnraum, meines Erachtens auch auf bezahlbaren Wohnraum.
Deshalb werden wir zum einen dafür sorgen, das Handlungskonzept Wohnen umzusetzen, aber auch darauf zu achten, dass die Natur dabei möglichst wenig in Mitleidenschaft gezogen wird.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Dirk Fröhning, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Wetter